„Ich träume immer, dass ich Menschen umbringe“

Die Zeichen für mein Interview mit den Sarkasmus-Poeten K.I.Z. standen denkbar schlecht: Sie hatten gerade den ersten Verriss zur neuen Platte bekommen und Nico flüchtete vor der Hitze aus dem Dachgeschoss.

Während  meiner Wartezeit in der Kommando-Küche wird mir der Tipp gegeben, bloß die richtigen Fragen zu stellen. Gut, dass ich Wodka dabei hatte. Obwohl die Flasche geschlossen blieb, wussten die Jungs daraufhin, dass ich eines Gespräches würdig bin. Und geben durchaus ernsthafte Antworten zu Themen wie Alpträumen, Kifferparanoia, Wut und Angst.

Ich habe in der siebten Klasse an einem Schreibwettbewerb teilgenommen. Der Direktor hat sich geweigert, meinen Text einzureichen, weil darin die ganze Menschheit getötet wurde. Hattet ihr auch solche Probleme mit „Hurra die Welt geht unter“?

Tarek: Auf keinen Fall. Unser Kriterium ist nur, ob etwas interessant ist oder nicht. Ich persönlich höre gerne finstere, melancholische Musik.

Maxim: Wir haben uns diesmal einfach rausgenommen, den Hörer nicht permanent mit einem Pointen-Strobo begeistern zu müssen. Der sollte mal in Ruhe zuhören.

Sil-Yan: Im Alltag ist man aber schon oft von Leuten umgeben, die nur positive Musik hören und immer nur die schönen Seiten des Lebens sehen wollen. Und wenn man dann negative Seiten anspricht, wollen sie einem das ausreden oder das Thema wechseln oder machen einen auch schlecht. Das gehört aber zum Leben dazu.

Ging es euch während der Aufnahmen schlecht?

Maxim: Nein. Wenn man sich mit Negativem beschäftigt, ergreift man Macht über diese Themen. Schlimm wird’s ja erst, wenn man sie nicht versteht und nicht auf Papier bringen kann.

Spricht ja für eine sehr gesunde Psyche. Meint ihr, Menschen sind überwiegend positiv oder überwiegend negativ?

Tarek: Menschen sind schon widerlich. Aber generalisieren ist immer falsch.

Sil-Yan: Ich denke, dass auch die Umwelt die Menschen beeinflusst und zu Bösartigkeit zwingt.

Maxim: Es ist eine sehr eitle Position, einfach zu sagen, dass die Menschen schlecht sind. Das ist, wie wenn auf Facebook alle unter ein Foto von einem ölverklebten Vogel schreiben „Oh, die böse Menschheit“. Aber das ist nicht der Mensch, das ist Shell. Gerade bei Umweltthemen können die Menschen oft nicht mehr zwischen einem Fabrikschlot und einer Zigarette unterscheiden. Generell, wenn man jemanden als gut oder böse bezeichnet ist das auch gemein, weil einem völlig egal ist, warum derjenige so ist.

Tarek: Manchmal ist es auch bewundernswert, wenn jemand total skrupellos ist.

Maxim: Skrupellosigkeit heißt ja auch nur, du hast ein paar Interessen, die du verfolgst und für die du auf ein paar andere Sachen scheißt. Dass du was Böses dabei tust, das ist ja nicht dein Motiv. Das ist einfach nur ein Hindernis. Moralische Grenzen sind ja nur Hindernisse.

Tarek: Die meisten Leute leiden selber unfassbar darunter dass sie böse sind.

Ich habe meinem Vater mal ein Album von euch vorgespielt. Und er meinte, er ist nicht mehr wütend genug für solche Musik.

Tarek: Oh, das ist schön.

Maxim: Der Grund ist wirklich schön. Und es stimmt, man braucht ein bisschen Wut, um das zu mögen.

Aber ist das nicht vielleicht genau das Problem, dass wir alle im Alter so…

Sil-Yan: Lethargisch werden?

Maxim: Na, lethargisch ist das ja nicht. Lethargisch wäre, wenn man sich gegen nichts mehr auflehnen würde. Aber wenn man wirklich zufrieden ist, dann spricht da überhaupt nichts dagegen. Man muss sich nicht künstlich aufregen.

Was macht ihr, wenn ihr richtig wütend seid auf die Welt?

Sil-Yan: Ich besauf mich.

Tarek: Ja. Ich wünschte, ich könnte rausgehen und ein paar Leute kaputt schlagen. Aber dafür hab ich zu wenig Kampfsport gemacht. Also betrinkt man sich bis zum Filmriss. Und dann wacht man auf und fühlt sich noch beschissener.

Maxim: Kommt drauf an, worauf man wütend ist.

Tarek: Ich bin ein großer Freund davon, Leuten ins Gesicht zu sagen: „Du bist ein Idiot, du quatscht Scheiße.“ Das hat was sehr befreiendes. Meistens ärgert es mich dann, dass ich dem Menschen nicht gleich noch den Kopf abgeschnitten habe und dafür verurteile ich mich dann. Aber es ist ja schon mal ein Anfang, den Leuten direkt zu sagen, was nicht ok ist.

Sil-Yan: Ich bin froh, dass du das nicht tust, weil sonst du ja wahrscheinlich schon im Gefängnis wärst und wir nicht zusammen auf Tour gehen könnten.

Maxim: Aber wir hätten ’nen Aufhänger für die Promo.

Tarek: Stimmt! Aber unser Privatleben ist irgendwie nicht so interessant, das regt mich auf. Die Leute fragen immer nur nach unseren Songs, aber sie fragen nie: „Hey, wie war denn das damals bei eurer Schlägerei in dem Club?“

Klar, gerne: Wie war denn das damals mit der Schlägerei?

Tarek: Äh, nein. Ich kämpfe feige und unfair, wenn überhaupt. Aber ich finde das ziemlich faszinierend, wie viele Leute die ganze Zeit nur über ihre Twitter-Konflikte reden können.

Gerade im Hip-Hop, das ist ja fast wie eine Daily-Soap.

Tarek: Ja, das ist für die Protagonisten auch sehr anstrengend.

Maxim: Vor allem, wenn sie es nicht so richtig unter Kontrolle haben. Es gibt bestimmt ein paar Leute, die davon wirtschaftlich profitieren. Aber ganz viele sind auch völlig getrieben, reagieren auf jeden Dreck der über sie gesagt wird und nehmen jeden Youtube-Kommentar als Anlass, komplett durchzudrehen. Ich glaub, die haben ein sehr hartes Leben.

Tarek: Das ist bei uns oder zum Beispiel Deichkind schon besser. Da weiß niemand was da privat abgeht und das interessiert auch keinen.

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Wenn ihr einen roten Knopf hättet, mit dem ihr die gesamte Menschheit auslöschen könntet…

Maxim: Haben wir.

Meint ihr, ihr hättet den mal gedrückt?

Maxim: Nein.

Tarek: Nein, ist doch Unsinn.

Sil-Yan: Nein. Dafür finden wir Sex viel zu toll.

Nicht mal in eurer Jugend?

Tarek: Da fühlt man sich schon schwach und angreifbar.

Maxim: Aber da will man ja nicht alle wegmachen, man will ja nur die wegmachen, die einen gedemütigt haben.

Sil-Yan: In meiner Kindheit gab es auch immer Gangs mit einem Anführer. Der hat dann gesagt „Den machst du weg“ und einer musste das dann ausführen. Ich fand so Hierarchien und diese Unterwürfigkeit und sich darüber profilieren von Anfang an scheiße. Deswegen habe ich mich diesen Gangs nie angeschlossen. Und war dann natürlich der, der auf die Fresse gekriegt hat.

Tarek: Ich denke, das ist so ein Urinstinkt, dass man zu einem gewissen Zeitpunkt zu einer starken Gruppe gehören möchte. Und jetzt, wo ich ein ganzes Leben außerhalb solcher Gruppierungen verbracht habe, rede ich mir ein „Ach, das ist eh schwach, die sind unglücklich mit sich selber“.

Sil-Yan: Ne wirklich, in so einem System möchte ich nicht leben.

Maxim: Ja, ich finde wir haben das schon gut gemacht.

Tarek: Bei uns gibt es keine Hierarchien.

Maxim raunt Tarek irgendwas ins Ohr mit Messerstecherei, CS-Gas und „Wir sind immer für dich da“.

Was?!

Maxim: Ach egal. Das Mysterium ist doch viel interessanter, als das was dann wirklich passiert ist.

Tarek: Ich glaube, das Interview ist ein bisschen konfus. Es sind aber auch richtig starke Sätze dabei!

Maxim: Tarek und ich sind ja sehr assoziativ denkende Menschen. Und deswegen liest man dieses Interview am besten so diagonal von links oben nach rechts unten.

Sil-Yan: Ich lese ja auch Interviews nicht, ich fühle sie.

Was habt ihr eigentlich gegens Feiern? Immer wenn es in euren Texten ums Feiern geht, dann wird es richtig traurig oder brutal.

Sil-Yan: Kendrick Lamar, dessen Verwandte und Freunde alle in Gangfights gestorben sind, rappt über das Ghetto und die Zustände dort…

Maxim: … und unsere Homies fallen halt im Club.

Sil-Yan: Die sind an Drogen und anderen Dingen gestorben und deshalb hassen wir Partys.

Maxim: Aber wir lieben sie natürlich auch weil wir da herkommen und da geboren sind. Wir wurden alle im Club gezeugt und geboren.

Geht ihr feiern?

Maxim: Ich kann das immer nicht unterscheiden, ob es Arbeit oder feiern ist.

Sil-Yan: Ich glaube ich würde meine Familie extrem enttäuschen wenn ich an Drogen und Alkohol sterben würde.

Es redet doch niemand von sterben…?

Maxim: Doch. Am Ende ist immer der Tod. Ganz oder gar nicht, wir machen keine halben Sachen.

Was kann euch einschüchtern?

Tarek: Intelligente, schöne Frauen. Ganz schlimm.

Maxim: Ne, die durchschau ich sofort. Da weiß ich genau was sie wollen. Die wollen den Urmenschen in mir.

Tarek: Vor Nilpferden hab ich Angst. Das gefährlichste Wesen der Tierwelt.

Maxim: Oder Eisbären, die sind krass. Die sehen so knuffig aus, aber sind richtige Killer.

Tarek: Aber wenn du dich immer um deine Sicherheit kümmerst, dann verpasst du vielleicht einen einmaligen Moment.

Maxim: Wie ’nen Kopfschuss.

Tarek: Oder einen Kopfschuss von ’nem Nilpferd.

Sil-Yan: Ich hab nur Angst vor mir selbst. Weil ich weiß, wie abgrundtief meine Fantasie sein kann.

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Euer schlimmster Alptraum?

Sil-Yan: Letzte Nacht hab ich von unserem Promochef geträumt. Ich war in New York auf einem Untergrund-Clubkonzert von ihm und ich hatte irgendeine Aufgabe und es war, als ob er mich testen und herausfordern würde – beziehungsweise auch über mich verfügen würde…

Tarek: Das hat sowas leicht Schwules. Das ist dir klar?

Maxim: Ja, aber das ist völlig ok, Sil-Yan.

Tarek: Als ich noch gekifft habe und regelmäßig Kifferparanoia hatte, dachte ich mir die ganze Zeit „Oh Gott, was wenn ich Aids habe? Und Leute, die ich liebe, infiziert?“ Dann hab ich mich testen lassen und es war negativ – Gott sei Dank. Aber dann dacht ich mir: „Aber was, wenn es was anderes Tödliches ist? Krebs?“ Und dann hab ich aufgehört mit Kiffen. Wenn man kifft, ist das ganze Leben ein Alptraum, aber so unterschwellig.

Und wie hast du aufgehört zu kiffen?

Tarek: Ich hab mich für 800 Euro hypnotisieren lassen. Ich hab davor am Tag fünf Joints geraucht. Jetzt hab ich seit zweieinhalb Jahren nicht mal ne Zigarette angerührt.

Maxim: Ich träum immer, dass ich Leute umbringe. Irgendwelche gefährlichen Typen, ich will keine Namen nennen. Der Mord ist nicht problematisch, das mach ich mit links. Was mich am meisten beschäftigt, ist das Beseitigen der Leiche. Also das Abtrennen der Gliedmaße, das verstecken, oder auch die Konfrontation mit Leuten, die den Ermordeten kannten und rächen wollen und ich lebe dann in der Angst, ertappt zu werden.

Sil-Yan: Wovor ich am meisten Angst habe ist, auf wie wackligen Fundament alles aufgebaut ist. Und wie einfach man diese Welt in der wir leben zum Einsturz bringen kann. Zum Beispiel unsere Freundschaft oder wir als Band. Das macht mir große Angst.

Tarek: Was auch wirklich krass ist, wenn man aufhört zu kiffen, sind die Träume. Weil man vorher nicht mehr so richtig träumt und dann kommt alles zurück. In den ersten Monaten ist das wirklich hart, da träumst alle möglichen Alpträume und wachst schweißgebadet auf, das ist echt abgefahren.

Aber Alpträume werden im Alter weniger. Ist bewiesen.

Tarek: Je älter man wird, desto leichter wird alles. Als kleines Kind bist du so ausgeliefert und denkst „Oh man, jetzt bin ich hier gefangen mit diesen zwei Wahnsinnigen“. Aber je älter du wirst, desto leichter fällt es dir, auch deinen Eltern zu verzeihen. Oder dem Typen, der dir grad die Nase gebrochen hat…

Maxim: Das ist ja das Problem: Als Kind bist du ausgeliefert, und zwar meistens Menschen, die du auch noch liebst. Später hat man dann so eine gewisse Selbständigkeit. Da kann man wegrennen vor Dingen die einem Angst machen oder sie kaputt machen oder sich tot stellen. Die drei großen Strategien der Natur.

Habt ihr eine Zeile, auf die ihr richtig stolz seid auf dem neuen Album?

Sil-Yan: „Ihr schreibt Geschichte, wir diktieren.“

Tarek: „Ich mach nen Affen wie die Eltern von Oliver Kahn“.

Maxim: „Der Tankwart tut so als würde ihm das ganze Geld gehören / deswegen stirbt er für den Shell-Konzern / Für acht Euro die Stunde und n Fuffi Kassen-Inhalt / Und einem Boss der ihn nicht mal den Grabstein bezahlt“. Das fand ich eine sehr schöne brutale Aneinanderreihung der Beziehung zwischen Arbeiter und Kapitalist.

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Fotocredit: Christoph Voy

Text: Antonie Hänel

Veröffentlicht in einer Kurzfassung über die Nachrichtenagentur spot on news, u.a. bei Focus.de

Zur gefeierten Kritik von „Hurra Die Welt Geht Unter“ bitte hier entlang.

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