Kater auf Klassik

Bass, Rauch, Tanz und Glitzer ­- so kennt man den Acid Bogen im Kater Blau. Nicht aber an diesem Donnerstag im September. Der Bogen ist bestuhlt, die Bühne in rosa-blaues Licht getaucht, von der Decke hängt schimmerndes Kassettenband, in der Mitte prangt majestätisch ein Klavierflügel, umhüllt von einem Meer aus funkelnden Sternenlichtern. Was hier los ist? Laura will zaubern.

Laura Weider, der Mittelpunkt dieser wahrgewordenen Disney-Traumsequenz, ist Berliner Do-it-Yourself-Pianistin, Feier-Unikat und ehemalige Rekordhalterin des längsten Klavierspiels der Welt (40 Stunden!). Wo am Wochenende Electro-Experimente, substanzbedingte Verwirrung, totale Reizüberflutung und auch Laura ihr Zuhause haben, geben heute die ruhigen Laute ihres Klaviers den Ton an.

Der Kater, der Acid Bogen, die Bar 25 – das hier ist die fabelhafte Welt der Laura Weider und das merkt man sofort. Die 34-Jährige sitzt wie eine moderne Tinkerbell barfuß und im weißen Tüllrock am Flügel, mit voluminöser Kurzhaarfrisur und freigelegten, strassbesetztem Hals. Ein Bild für die Götter. Selbst das dumpfe Geräusch der Züge, die in regelmäßigen Abständen über den Bogen brettern, passt zur verzauberten Atmosphäre – man fühlt sich, als wäre man gerade dem weißen Kaninchen in eine geheime Höhle gefolgt.

 

Das Konzert ist ausverkauft, viele kennen Lauras Kunst schon von anderen Projekten, vom Bar-25-Film, von ihrem Weltrekord, von Festivals wie der Fusion oder von ihrer Zusammenarbeit mit DJs wie Acid Pauli oder Nico Stojan. Die Hälfte des Publikums sind Freunde und Bekannte von Laura, entsprechend entspannt und familiär ist die ganze Stimmung. Im Gegensatz zu Neoklassik-Konzerten in den großen Häusern, wo man bei jedem Kratzer im Hals den Zorn der anderen fürchtet, ist das hier ein Kneipenkonzert: Als das erste Mal die Sternenstrahler angehen, zieht sich ein großes „Oooohh!“ durch den Raum. Es fühlt sich an wie das akustische Äquivalent zur Gänsehaut, die hier bei jedem Song über die Haut kriecht. Es darf geklatscht, geraucht und gehustet werden. Es fallen Gläser um. Und zwischen den selbstkomponierten Stücken bringt Laura alle zum Lachen, wenn sie mit ihrer offenen Art die Geschichten hinter den Songs erzählt, die alle mit, aus oder nach dem Feiern geboren sind. Beispiel: „Dieser Song ist nach einem Gig auf der Fusion entstanden. Ich hatte mich sehr gut darauf vorbereitet – das heißt, ich habe vier Tage durchgetanzt. Ohne Drogen!“

Entschleunigung für das hyperaktive Szenepublikum, kann das funktionieren? Ja, es kann, über drei Stunden lang. Überdurchschnittlich viele genießen die Musik mit geschlossenen Augen. Wobei man sich fragt, warum das bei Konzerten dieser Art eigentlich nicht selbstversändlich ist. Aber wie man sich in einen Moment fallen lässt und den Augenblick in Gänze genießt, darin ist man hier geübt.

Video: Benjamin Staffe

Text: Antonie Hänel

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